Gegen das Patriarchat – Protest durch direkte Aktionen bestärken!

Das Bündnis zum Weltfrauentag 2016 in Köln hat einen Aufruf zur bundesweiten Demo am 12.03.2016 veröffentlicht. about:fem hat sich entschlossen, den Bündnisaufruf auf reclaimfeminsm.org mit zu unterzeichnen, um sich solidarisch zu zeigen und die Demonstration zu unterstützen. Nachfolgend möchten wir einige Perspektiven ergänzen.

Patriarchale Gewalt fängt nicht erst bei Vergewaltigungen und Misshandlungsbeziehungen an, sondern sie findet ihren absolut entmenschlichenden Höhepunkt darin. Die strukturelle Diskriminierung von FLTI (FrauenLesbenTransInter) und LGBQ (Lesben, Schwule, Bisexuelle und andere mit queerem Begehren) beginnt aber subtil: Erziehung zu stereotypen binären Geschlechterrollen, männlich-dominantes Redeverhalten, Normierung von Körpern zu verwertbaren Idealen, Zwangsheterosexualität, ungleiche Entlohnung von Erwerbsarbeit, der soziale Zwang zu unentlohnter Reproduktionsarbeit, Pathologisierung von Menschen die bei der Geburt geschlechtlich falsch eingeordnet wurden oder sich dem ihnen zugewiesenen Geschlecht nicht anpassen, Zwangsoperationen bei vollkommen gesunden Inter*-Kindern um sie binären Normen anzupassen und vieles mehr.

Street Harrassment – unkonsensuales Sexualisieren durch Mimiken, Gestiken, Aussagen oder Anfassen in der Öffentlichkeit – und die Ereignisse am Kölner Hbf an Silvester sind ein viel behandeltes Thema in aktuellen Diskussionen. Dabei wird sich allseits, von bürgerlicher Frauenbewegung bis zu besorgten Bürgern in der Mitte der Gesellschaft (und ganz weit rechts), rassistischer Stereotype bedient.
Für uns bedeutet Feminismus aber die Befreiung aller FLTI von sämtlicher Unterdrückung, von allen patriarchalen und rassistischen Verhältnissen, und keine_r ist frei, solange nicht alle frei sind. Das bedeutet, dass Rassismus, Antisemitismus, ökonomische Benachteiligung und weitere Diskriminierungsarten ebenso bekämpft werden müssen, die Überschneidung verschiedener HERRschaftsformen also nicht ignoriert werden darf.

Der Forderung „Unser Feminismus ist antirassistisch – Reclaim feminism“ schließen wir uns daher ausdrücklich an.

Kreativität zurückerobern, Utopie einfordern!

Dem auch vom Demobündnis kritisierten aktuellen anti-feministischen Backlash können wir alle über reinen Protest hinaus eine Menge entgegensetzen. Nur durch die gleichzeitige Existenz „gewaltfreier“ und militanter Aktionen kann dem patriarchalen Staat gegenüber ein Drohpotential aufgebaut werden. Dabei bleibt auch aktiver Antifaschismus relevant und notwendig.
Ziele gibt es dabei genug: Sexistische und rassistische Werbung, christliche Institutionen, sog. Pick-Up-Artists, vermeintlich frauenschützende, rassistische Bürgerwehren, übergriffige Security in Geflüchteten-Lagern, bündische Studentenverbindungen, und vieles mehr. Protest ist gut, Widerstand ist besser.

Das Demobündnis beschreibt in seinem Aufruf treffend die Situation von geflüchteten Frauen und Kindern. Den, in einer Stellungnahme genannten, Forderungen des Bündnis nach spezifischen dezentralen Unterkünften für weibliche Geflüchtete sowie für nicht-heterosexuelle und nicht-cisgeschlechtliche* Geflüchtete [*cis = in Übereinstimmung mit dem zugewiesenen Geschlecht] schließen wir uns an. Dabei geht es darum, Schutzräume zu schaffen und eine individuellere Unterstützung zu ermöglichen. Besetzungen leerstehender Häuser oder Blockadeaktionen in den lokalen Behörden könnten dieser Forderung Nachdruck verleihen.

Wir feiern alle FLTI!

Egal ob wir uns verinnerlichter patriarchaler Abwertung bewusst sind oder nicht, wir ALLE halten das System aufrecht. Deshalb muss es darum gehen aus dieser Systematik auszubrechen. Jede_r ist wichtig auf dem Weg zur feministischen und sozialen Revolution. Eine zum Besseren reformierte Stellung innerhalb des patriarchalen Kapitalismus und Staat ist uns nicht genug – wir wollen den Kapitalismus, die HERRschenden patriarchalen Verhältnisse und das Patriarchat als Ganzes sabotieren, abschaffen, überwinden, dekonstruieren!

Deshalb feiern wir nicht nur kämpferische Frauen. Wir feiern ALLE FLTI, kämpferische und verfolgte, starke und unterdrückte. Wir feiern alle FLTI die angesichts der unerträglichen Verhältnisse leben und überleben. Wir gedenken der durch patriarchalen, transfeindlichen und rassistischen Hass ermordeten Menschen weltweit und verwandeln unsere Trauer in Wut und Widerstand! Es sollte eine Selbstverständlichkeit für uns alle sein, Solidarität praktisch werden zu lassen.

Der 8. März ist ein wichtiger Tag zur Erinnerung an vorangegangene Revolten – lasst uns kreativ an diese anknüpfen. Beteiligt euch an dem FLTI-Block ganz vorne in der Demo – oder, wenn ihr solidarische cis-Männer seid, an dem antiautoritären Block.

Das Patriarchat bekämpfen – nicht nur heute, sondern an allen Tagen!
Setzt euch mit uns gemeinsam und solidarisch für einen feministischen Anarchismus und einen anarchistischen Feminismus ein!