Kritischer Bericht zu One Billion Rising 2017 in Köln

Am 14.02.2017 hat mal wieder weltweit das bürgerlich-feministische One Billion Rising (OBR) stattgefunden. Die Initiative setzt sich seit 2012 gegen Gewalt an Frauen und Mädchen ein und geht auf die Autorin Eve Ensler („Vagina Monologe“) zurück. Zum Konzept gehört es, einen zum Titelsong einstudierten Tanz mehrfach zu wiederholen.
In Köln fand die Veranstaltung dieses Mal am Alter Markt (Nähe Rathaus) statt. Die Gelegenheit haben wir genutzt um eine radikalere Präsenz zu zeigen und solidarisch-kritisch Flyer zu den Themen “Was ist Anarcha-Feminismus” und “Schluss mit der sexistischen Gewalt!” zu verteilen. Hier findet ihr ihn als PDF.

Den gesamten Bericht könnt ihr hier weiter lesen:

Es gibt einige Kritikpunkte an OBR allgemein. Ob nun rassistische Stereotype in Mobivideos, der Ausschluss von transweiblichen Personen durch die Gleichsetzung von Weiblichkeit mit dem Tragen einer Vulva oder Tanzen als typisch weiblich interpretierte Aktionsform, welche Geschlechterstereotypen aufrecht erhält. Aktionen gegen sexualisierte Gewalt finden wir wichtig, aber ebenso die Kritik an der Verbreitung weiterer Diskriminierungsarten im privilegierten Feminismus.
Von der Kölner Veranstaltung hatten wir einen gemischten Eindruck.
Die erste Rede wurde von der Heilpraktikerin Barbara Winter von „Erdenmedizin“ gehalten, welche laut ihrer Website in der Fachgruppe „Schamanisches Heilweisen“ aktiv ist. Über diese kulturelle Aneignung hinaus muten ihre Therapiemethoden eher esoterisch an. Zusätzlich forderte sie bei OBR dazu auf, sich im Publikum anzusehen und an die Hand zu nehmen. Dies erzeugt einen sozialen Zwang sich auf unkonsensuale Handlungen mit Fremden einzulassen. Positiv zu erwähnen fanden wir ihre Solidaritätsäußerung für alle inhaftierten Frauen, da Gefangene zu oft vergessen werden.

Am besten fanden wir die Rede einer Vertreterin von Agisra e.V. (Informations- und Beratungsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen), weil sie auf die Überschneidung von Unterdrückungsverhältnissen hingewiesen hat. Es wurde die Unterbringung von Frauen mit Fluchtgeschichte in Turnhallen und anderen Lagern kritisiert, welche keinen Schutz vor Übergriffen bietet, sowie auf die besondere Situation von Schwangeren und Frauen nach der Geburt hingewiesen. Zusätzlich wurden der strukturelle Rassismus und die strukturelle Gewalt kritisiert, den Geflüchtete auf Ämtern erfahren.

Spontan kam einer der Bürgermeister, Andreas Wolter, zur Kundgebung und solidarisierte sich in einer kurzen Rede mit dem Anliegen von OBR. Er sagte auch, dass er hoffe, dass der AfD-Bundesparteitag, welcher am 22./23.04.2017 im Kölner Maritim Hotel stattfinden soll, dies nicht dürfe.
Daraufhin wurden Textausschnitte von Eve Ensler vorgetragen, die nicht nur cis-sexistisch waren, sondern auch retraumatisierend wirken können, denn sie enthalten sehr explizite Schilderungen von Gewalthandlungen.

Eine weitere Rede kam von der Kölner „Initiative gegen sexualisierte Gewalt“, welche u. a. bei Großveranstaltungen in der Stadt wie z.B. Karneval, nachts ein Mobil mit Fachkräften zur Beratung von Betroffenen am Senatshotel in der Altstadt bereitstellen wird. Die Rednerin kritisierte die mangelnde Verbindung der Kölner Silvesterereignisse mit Alltagssexismus in der öffentlichen Debatte, was wir aus antirassistischer Perspektive wichtig finden.

Im Publikum anwesend waren Mitarbeiter_innen von autonomen Frauenhäusern, deren Existenz wir nach wie vor wichtig finden.
Leider fanden sich dort auch Menschen, deren gehäuftes Auftreten bei feministischen und linken Veranstaltungen wir für gefährlich halten.
Die Querfrontlerin Anneliese Fikentscher von Arbeiterfotografie fällt nicht nur immer wieder durch antisemitische und verschwörungstheoretische Äußerungen und Handlungen auf, sondern veröffentlicht auch unverpixelte Fotos, teils sogar Profilbilder, ohne Erlaubnis der Abgebildeten – auch von linken und antifaschistischen Veranstaltungen. So bringt sie Menschen in Gefahr vor Bedrohung durch die Polizei, Neo-Nazis, Antisemit_innen, oder wie in diesem Fall durch die Täter sexualisierter Gewalt.
Johanne Liesegang, ebenfalls Heilpädagogin, ist eine geschichtsrelativierende Nationalistin und Verschwörungstheoretikerin. Ein kurzer Blick auf ihre Facebook-Timeline genügt um dies zu bemerken. Sie fällt durch Aktivität bei zahlreichen rechten Initiativen auf. So z.B. im „Aufbruch Gold, Rot, Schwarz“, gegen Chemtrails, bei den Staatenlosen oder bei der „Wahrheits- und Friedens- Mahnwache 2.0 Köln“.

Abschließend festzuhalten ist, dass One Billion Rising nach wie vor durch ein binäres und biologistisches Geschlechterverständnis geprägt ist, dadurch trans*- und inter*- Personen ausschließt und Diskriminierung gegen sie aufrecht erhält und verbreitet.

Zum Schluss möchten wir einige Institutionen verlinken, die Unterstützung bei patriarchaler Gewalt und Diskriminierung bieten. Zwar sehen wir keine davon kritiklos, denken aber, dass realpolitisch gesehen bürgerliche Hilfsangebote für viele Menschen wichtig sind. Eine Auseinandersetzung mit libertär-feministischen Konzepten zum Umgang mit sexualisierter Gewalt ist angebracht. Schreibt uns gerne, wenn ihr weitere Gruppen und Einrichtungen empfehlen könnt.

Rainbow Refugees Cologne
Agisra e.V.
Rubicon
Jugendzentrum Anyway
Frauennotruf Köln
Frauenberatungszentren Köln
Lila in Köln
Holla e.V.
ASS – Anonyme Spurensicherung