Rede zum 1.Mai in Duisburg

Bei der Demo von „Rise Up! Jugendbündnis gegen Rechts“ gegen den Naziaufmarsch der Partei Die Rechte.

Immer noch, immer wieder: Am 1.Mai gegen die HERRschenden Verhältnisse! Jeder Tag ist feministischer Kampftag.

Am 1. Mai gehen zahlreiche Menschen für Träume, Wünsche und Ziele auf die Straße, die sehr weit auseinander gehen. Diverse fundamentalistisch-religöse, wie auch verschwörungstheoretische, rechte bis rechtsterroristische Strömungen gestalten mit an einer neuen Welt. Die selbsternannte Mitte der Gesellschaft guckt dabei zu. Der deutsche Wutbürgermob formiert sich neu und verbreitet wie gehabt seine rassistische, antiziganistische, antisemitische und sozialchauvinistische Hetze, aktuell im Vorfeld der Europawahl.

In Zeiten dieses gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks nehmen wir uns ein Beispiel an historischen Anarcha-Feministinnen: Emma Goldman, Louise Michel, die Mujeres Libres, der Syndikalistische Frauenbund und unzählige andere kämpften gegen autoritäre, teils faschistische, Systeme. So sind auch wir heute da, um einen Gegenpol auf die Straße zu tragen. An Stelle von neo-konservativen Reaktionen auf globale Ereignisse setzen wir libertäre Analyse und Kritik.

Neben Naziaufmärschen wie in Duisburg demonstrieren am 1.Mai traditionell bürgerlich-reformistische Gruppen wie DGB, SPD, Linkspartei und Co. Sie fordern bessere Arbeit anstatt ein besseres Leben. Sie verschmähen die Faulheit und bieten somit unter Anderem rechten Bewegungen eine Basis für rassistische Projektionen und Antiziganismus. Die Debatten um sogennante  „Armutszuwander_innen“ aus Bulgarien und Rumänien sind ein aktuelles Beispiel. Ein wenig mehr sozialer Frieden durch kleine Reformen wird jedoch nichts an unserer Rolle als Humankapital ändern.

Das bekommen Frauen in der Lohnarbeit vertärkt zu spüren. Schlechtere Bezahlung für gleiche Arbeit, bevorzugte Einstellung männlicher Bewerber und schlechtere Aufstiegsmöglichkeiten trotz gleicher oder besserer Qualifikation sind nur der Anfang einer Langen Mängelliste. Außerdem gibt es nach wie vor klassische „Frauenberufe“, die in der Regel schlechter bezahlt, gesellschaftlich weniger wertgeschätzt sind und daher von Männern kaum übernommen werden.

Über die Lohnarbeit hinaus wird der Großteil der Care-Arbeit weiterhin von Frauen übernommen. Das heißt, dass sie viel von ihrer Freizeit unentgeltlich für Kinderversorgung, Haus- und Beziehungsarbeit sowie Alten- und Krankenpflege aufwenden müssen. Diese Arbeiten werden von der Gesellschaft nicht gewürdigt, sind aber für das Funktionieren und den Fortbestand der kapitalistischen Ordnung grundlegend.

Rechte Ideologen wollen uns in dieser Rolle zementieren, auch wenn sich manche inzwischen etwas moderner geben. Darauf fallen wir nicht rein, unser Feminismus bleibt linksradikal. Für Deutschland keinen Finger krumm!

Als wäre das nicht bereits genug, rennen pseudo-revolutionäre Gruppen der autoritären Linken an Tagen wie heute durch die Gegend und verbreiten nicht nur Personenkulte von Lenin über Mao bis Stalin, sondern ebenfalls Sexismus, strukturell antisemitische Hetze und reaktionäre Lösungsansätze – getarnt als Kapitalismuskritik.

Sie wollen alte Führer durch neue ersetzen, ein paar Gesichter in der herrschenden Klasse austauschen, hetzen gegen „Bonzen“, „die Da oben“ und „die Zionisten“. In der Praxis bedeutet dies, jüdische, libertäre und israelsolidarische Menschen – auch vermeintliche – auf Antifademos verbal bis körperlich anzugreifen. Kritiker*innen, vor allem weibliche, bekommen durch linksautoritäre Antifas und den selbsternannten Jugendwiderstand in NRW die volle Gewalt des Patriarchates zu spüren. Für das gute Leben kämpfen bedeutet auch, das eigene Verhalten zu hinterfragen. Ihr seid keine Genossen, ihr seid reaktionär.

A propros Linksradikal: Auch in unserer eigenen Szene sitzen wir zwischen den Stühlen:

Viele libertäre Männer setzen sich zwar mit gesellschaftlichen Herrschaftsstrukturen auseinander, erkennen diese jedoch kaum in sich selbst und hinterfragen sie entsprechend nicht. Feministische Perspektiven werden oft der Behandlung anderer Themen untergeordnet und als Nebenwiderspruch abgetan.

So setzt sich die klassische Rollenverteilung in den meisten Politgruppen und bei Demos und Aktionen fort. Insbesondere Lesben, trans*Frauen, Non-binaries und Sexarbeiter*innen werden in anti-kapitalistischen und anti-faschistischen Kämpfen kaum beachtet. Deswegen sind sie gezwungen, permanent einen doppelten Kampf zu führen: Nicht nur gegen staatliche und gesellschaftliche Ausbeutung, sondern auch gegen patriarchale Verhältnisse innerhalb der eigenen Bewegung. Schluss damit, unser Feminismus bleibt queer!

Wir fordern alle sich als links, antifaschistisch, libertär, emanzipatorisch, autonom bezeichnenden cis-Männer auf, ihre Rolle in der politischen Arbeit zu reflektieren. Denn wir demonstrieren heute nicht nur gegen die Rechte, weil sie „irgendwie Nazis“ sind, sondern gegen ihren konkreten und folgenreichen Antifeminismus, Rassismus, Antisemitismus.

An all die antifaschistischen Frauen, Lesben, Trans* und Inter*: lasst uns gemeinsam mehr Raum für Feminismus in der antifaschistischen und linken Bewegung und Subkultur erkämpfen! Heute werden Nazis blockiert, und das können wir genau so gut wie unsere männlichen Genossen. Join your local F_antifa!

Die Verhältnisse müssen immer aus einer intersektional kritisiert werden. So wirken verschiedene Herrschaftskategorien negativ zusammen. Z.B. bei Schwarzen, Frauen of Color und jüdischen Frauen; bei trans*- und inter*- Personen und Menschen, die nicht den Normen körperlicher und geistiger Gesundheit entsprechen.

Rechte Parteien beispielsweise kritisieren Gewalt gegen Frauen nur im Kontext ihrer rassistischen Hetze. Wir sind nicht euer Instrument, wir können unsere Freiheiten selbst erkämpfen und wir kritisieren alle Täter, genau so wie wir alle Betroffenen unterstützen anstatt nur weiße Frauen. Unser Feminismus bleibt anti-rassistisch!

Was nun?

Wir weigern uns, einen funktionierenden Rahmen für Kapitalismus & Volksgemeinschaft zu bieten. Die Parteien und großen Gewerkschaften, die mit kleinen sozialen Besserungen das System am Laufen halten, verhindern die Selbstverwaltung der Menschen, sie Verhindern Fortschritt & Emanzipation. Die Neue Rechte mit ihren Gruppen und Parteien will bisherige bürgerliche Errungenschaften sogar zurück nehmen. Wir wollen sie hingegen auf alle Menschen ausweiten.

Wir fordern nicht bloß eine bessere Situation im bestehenden System sondern wollen Staat, Nation, Kapitalismus und Patriarchat als Ganzes angreifen und überwinden. Wir wollen die ganze Scheiße an der Wurzel packen, ihr den Boden entziehen. Der Kampf gegen Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen, Lesben, trans* und inter* Personen steht nicht in Konkurrenz zum antikapitalistischen oder antifaschistischen Kampf, sondern ist untrennbarer Teil desselben.

Die Waffe der Solidarität gilt es neu zu entdecken, lasst uns heute anfangen!
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